Sucht ist eine Erwartungserinnerung, die dem Ende der Täuschung entgegensteht….

Man sagt, dass Sucht immer auch mit Sehnsucht und mit Suche korreliert. Wir sehnen uns nach etwas, wir suchen danach und manchmal ist die Bedürftigkeit so stark, dass das Loch in der Seele zum schwarzen Loch wird. Schwarze Löcher haben eine sehr starke Anziehungskraft. Durch Projektion und Überstrahlung erzeugen wir schwarze Löcher in unserer Seele. Dies passiert dann, wenn die Not, die Bedürftigkeit so bedeutend wird, dass ihre Erfüllung zur Überlebensfrage wird.

Wenn ein Kind erlebt, dass seine Bedürfnisse nicht wahrgenommen oder gar abgelehnt werden, wenn es erfährt, dass es wählen muss zwischen Bedürfnisbefriedigung oder Zugehörigkeit, also zwischen Autonomie oder Sicherheit, dann bildet es die Veranlagung zum Suchtcharakter. Dies ist in unserer Gesellschaft so häufig, dass es uns normal erscheint. Wir kokettieren sogar damit nach etwas „süchtig“ zu sein und daher nicht „anders zu können“.

Anne Wilson Shaef hat sich in ihrem Buch „Im Zeitalter der Sucht“ näher mit dieser gesellschaftlichen „Normalität“ beschäftigt. Sie beleuchtet in ihren Büchern alltägliche Pänomene im Hinblick auf Sucht, Abhängigkeit und Co-Abhängigkeit. Es ist unter anderem deren Lektüre, die mich zu meinem hier beschriebenen Meinungsbild geleitet hat.

Sucht ist eine Erwartungserinnerung. Wir erinnern uns an die Erwartung (von Erleichterung), nicht an die Enttäuschung. Die Entäuschung nämlich, dass diese Erwartung in der Regel unerfüllt bleibt. So versuchen wir immer „mehr desselben“. Wir drücken immer engagierter, um eine Tür zu öffnen, auf der eigentlich „ziehen“ steht. Die Verzweiflung und die Not wachsen, der Abstand und die Ressourcen schwinden, wir sitzen fest. Zu schwach um uns zu befreien, weil wir unsere Kraft an die kathartische Idee der endlichen Bedürfnisbefriedigung verschwendet haben. Das kann tödlich enden!

Wir hängen an der Nadel, die uns mit Gift versorgt und eben dieses Gift schwächt uns immer weiter, sodass wir am Ende quasi verhungern. Es ist, als würden wir eine leere Schachtel immer wieder öffnen, um etwas Nahrhaftes zu erhalten.

Menschen haben im Wesentlichen zwei Grundbedürfnisse: Bindung und Autonomie bzw. Sicherheit und Freiheit. Dürfen diese gleichberechtigt bestehen, kann Zufriedenheit, Lebendigkeit und Glück gelingen. Wenn Autonomie, also Selbstwirksamkeitserleben und Zugehörigkeit in einen Konflikt gebracht werden, einander also vermeintlich auschließen, dann kommt es zu einem gnadenlosen innermenschlichen Totentanz.

Dieses Mem ist in unserer Gesellschaft leider weit verbreitet, eine Art transgenerationaler Erbfluch aus militärischen Zeiten. Man propagiert Härte, Genügsamkeit, Disziplin, Klarheit und Fleiß, man verachtet Transzendenz, Zärtlichkeit, Mitgefühl und Sensibilität, das ist mindestens deutsche Tradition. So glaubte man, Kriege gewinnen oder wenigstens überstehen zu können. Das mag sogar stimmen, aber Frieden oder Zufriedenheit schaffen, dass kann man nur mit unerschrockener Herzlichkeit, durch vertrauensvolle Liebe und den Mut zur Verbundenheit.

So bleiben wir, uns gegenseitig und in unserem tiefen Glauben selbst verstärkend, im Netz einiger fataler Irrtümer gefangen. Dieses Netz zu zerschneiden, benötigt den Mut eines Narren und das treue Herz seines Hundes.

In Anlehnung an Kafkas Text „Auf der Galerie“ möchte ich sagen: Möge jemand das Halt ausrufen, möge jemand diesen Zirkus beenden…

Möge die schweigende, leidende Menge eines Tages erkennen, dass sie in Liebe und Sehnsucht verbunden ist – möge die Stille zu einem dröhnenden Sturm heranwachsen, der einem Taifun gleicht. Einem Wirbelsturm, der sich gleichmütig einen Weg durch die Stadt der Lügengebäude bahnt und alles zum Wiederaufbau vorbereitet, was uns gefangen hält.

In diesem Sinne…

Your choice, take it, take care…

Toleranz braucht Humor, Gelassenheit kommt von gehen lassen…

Der Begriff Toleranz kommt von tolerare – ertragen oder erdulden. Der Begriff attraktiv bedeutet anziehend und, so möchte ich meinen, auch verbindend. Etwas, was ich nicht als anziehend, vielleicht sogar als abstoßend empfinde, wird dann zum Problem, wenn ich es nicht tolerieren kann. Wenn etwas Toleranz benötigt, ist es eben nicht verbindend, sondern tendenziell trennend. Trennung birgt immer die Gefahr des Abschgeschnittenseins, des Verlustes von Zugehörigkeit und kann sich mehr oder weniger bedrohlich anfühlen.

Je mehr Gemeinsamkeiten man mit jemandem oder etwas findet, desto verbundener und damit auch sicherer empfinden wir uns. Die gemeinsame Schwäche für eine alltägliche Nachlässigkeit kann verbindend sein, ebenso gemeinsame Interessen, Vorlieben und Abneigungen. So loten wir unseren Platz im Weltgefüge ständig neu aus.

Wir lernen jemanden oder etwas kennen und prüfen, inwieweit es zu Resonanzen oder Synergien kommt. Wir stellen fest, dass wir nicht allein sind oder eben, dass wir nicht dazugehören. Woran wir dies messen, liegt an uns.

Zwei Seiten aus meinem Artjournal vom letzen Jahr

Es gibt Menschen, die achten auf Gemeinsamkeiten und versuchen diese zu verstärken und es gibt Menschen die tendenziell eher nach dem suchen, was sie von anderen trennt.

Wer nach „Fehlern“ sucht, wird immer mindestens ein Haar in der Suppe finden. Ob wir es dann einfach beiseite legen oder die Suppe für uns ungenießbar wird, darum geht es bei dem Begriff „Toleranz“.

Epiktet wird die Aussage zugeschrieben, dass „nicht die Dinge die Menschen beunruhigen, sondern unsere Sicht der Dinge.“ Es obliegt also uns, wie die Welt ist?

Wir können unseren Fokus bewusst setzen, uns also dafür entscheiden, auf welchen Teil wir achten wollen, ob wir auf Verbindendes oder Trennendes achten möchten. Diese Entscheidung benötigt allerdings das Bewusstsein darüber, dass dies tatsächlich (nur) eine Entscheidung ist und vor allem, dass „jedes Ding zwei Seiten hat“, es also immer Licht und Schatten gibt, es kein allein Verbindendes oder allein Trennendes gibt.

Wie unerträglich ist es, wenn jemand anderes eine andere Meinung, Vorliebe oder Vorgehensweise hat. Wie sehr fühlen wir uns getrennt, wenn jemand Eigenschaften oder Verhalten zeigt, was uns emotional triggert, also ärgert, verletzt oder ekelt?

Je mehr wir in uns selbst ruhen, je mehr wir uns selbst und anderen sicher sind, desto weniger „kratzt“ uns das Anderssein. Ein Trigger ist wie ein Schalter, der in uns eine Art Warnlampe anschaltet. Diese Schaltverbindung ist meist unbewusst gelegt worden und reicht oft bis in die Anfänge unserer Existenz zurück. Je bewusster mir diese Schalter sind und je besser ich lerne, solche Schaltverbindungen zu regulieren, desto toleranter kann ich sein. Ist es also vielleicht doch keine freie Entscheidung, welchen Fokus ich auf die Dinge setze? Ja und nein. Jedem Menschen werden meist unbewusste Bewertungsmaßstäbe quasi in die Wiege gelegt. Wie wir damit umgehen wollen, das können wir entscheiden.

Humor ist dabei wie ein Blitzableiter für einen Trigger. Wir lachen, um die „Alarmenergie“ abzuleiten. Dann lassen wir los. Wir lassen das latente Gefühl von Bedrohung gehen, wir lassen es in die Erde abfließen, ja, man könnte sagen, wir erden uns oder kommen auf den Boden zurück. Ich empfinde es auch manchmal so, als ob man einem Ball, der auf einen zufliegt selbstverständlich aus dem Weg geht. Das gilt natürlich um so mehr für Pfeile, die einen vermeintlich abschießen wollen oder auch für herumstehende Schuhe, die einen dazu einladen sich schmerzende Blasen darin zu erlaufen.

Unter „schwerem Beschuss“ ist es nachvollziehbar schwieriger auszuweichen oder sich zu schützen, als wenn vereinzelt mal ein Anwurf kommt oder ein Hundehaufen herumliegt.
Für ersteres benötigt man möglicherweise eine Art von Schutzkleidung oder Schild.
Alles ist auch Übung. Man benötigt das Bewusstsein, den Willen, das Vertrauen und einiges an Mut, um Veränderungen im Hinblick auf seinen Umgang mit den Triggern zu erlangen.

Ganz sicher hilft es, zusätzlich den Blick auf das Verbindende zu trainieren, denn es gibt uns Kraft, Sicherheit und Trost. Es geht also nicht nur darum, die Schaltkreise des Alarmsystems zu erneuern, sondern auch darum, unser Belohnungzentrum zu bedienen, um quasi die inneren Sicherheitsspeicher zu füllen.

Das Belohnungszentrum springt nämlich immer dann an, wenn etwas positives geschieht, wir eine Gemeinsamkeit feststellen, etwas, was uns irgendwie sagt „du gehörst dazu, du bist gut so, wie du bist, du wirst wahrgenommen etc.“. Das funktioniert leider erschreckend zuverlässig bei Suchtmitteln bzw. macht Dinge zu Suchtmitteln. Deswegen lieben wir Likes und Schokolade…

Humor kappt die Bedrohung und belohnt uns zugleich. Des Weiteren kann man dadurch lernen, die Dinge nun nicht mehr als bedrohlich, sondern als neutral, vielleicht auch als kleine charakterisierende Eigenheiten wahrzunehmen, sie quasi als Erkennungsmerkmal sogar zu lieben.

Dann wird aus dem Ärgerlichen etwas Liebenswertes, was uns an die Verbindung zu etwas oder jemanden erinnert. Und genau dies ist es dann, was uns einzigartig macht. Zu Udo Lindenberg gehören Hut, Sonnenbrille und die charakteristische Aussprache, zu Angela Merkel die hängenden Mundwinkel…

Die Welt ist voll von unperfekten und dennoch vollkommenen „Dingen“, ob wir sie fürchten oder lieben, sie sind, wie sie sind…

Your choice, take it, take care…

Plötzlicher Gefühlstod – Intuition versus Gefühl, wenn dein Herz dich fickt oder Hollywoods Irrtum…

Wir leben in einer Zeit, in der die Medien unser Weltbild mehr beeinflussen als unsere direkte Erfahrung. Menschen wachsen mit Ideen und Weltbildern auf, die tief romantisch und religiös verklärt sind – und das trotz vermeintlicher Aufklärung.

Direkt bemerken wir es manchmal, wenn wir feststellen, dass „Instalife“ nicht „real“ ist, dass das Bild im Restaurant ganz anders aussieht als das Essen auf dem Teller, dass die neue XY-Diät bei „mir“ irgendwie nicht funktioniert oder dass mein Parter, meine Partnerin, meine Familie und Freunde anscheinend irgendwie nicht so toll sind wie die anderer …

Es gibt Menschen die glauben, dass etwas, was im „Fernsehen“, vielleicht in den Nachrichten „berichtet“ wurde „wahr“ ist… ich benötige viiiele Anführungszeichen in diesem Text… In der Zeit der Romantik, so um 1850, als die Märchen von den Gebrüdern Grimm zusammengestellt wurden, als die Geschichten von Frankenstein und Drakula entstanden, als man vom Nachtmar sprach und Goethe seinen Werther mit gebrochenem Herzen in den Freitod schickte. In dieser Zeit wussten die Menschen noch besser, dass das Drama auf die Bühne gehört – zumindest vermute ich dies.

Ich wünschte, wir würden mehr durchatmen und einander in fehlertoleranter Herzlichkeit begegnen, uns selbst nicht zu ernst nehmen und vor allem sollten wir unserem Bauchgefühl nicht uneingeschränkt trauen!

Es gibt einen Unterschied zwischen Intuition und einem Bauchgefühl… die Intuition ist unabhängiger und beständiger. Sie speist sich wohl eher aus dem Herzen, während der Bauch auch gern mal spontanen Gruselphantasien und Ängsten folgt. Das Herz ist weniger ängstlich.

Stefanie Stahl benutzt den Begriff „plötzlicher Gefühlstod“ für Menschen, die in Beziehungen plötzlich beginnen sich an allen möglichen Kleinigkeiten zu stören. Eben noch waren sie überschwänglich verliebt und überzeugt, das perfekte Gegenüber gefunden zu haben und nun, diese Geste, diese unerträgliche Angewohnheit, diese Vorliebe oder jener Gesichtsausdruck… Es entstehen Aversionen, die alle Faszination töten wie ein Haar in der Suppe oder eine Schabe auf dem Eisbecher. Wenn wir diesen Gefühlen trauen, sind wir übel gefickt, ja, diesen Ausdruck möchte ich so lassen ;-).

Wir schreiben es dem Herzen zu, aber in Wirklichkeit ist es nur ein Ausdruck eines Bedürfnisses nach Autonomie und Sicherheit. Das Nervensystem hat bei vielen Menschen gespeichert, dass man etwas Gutem besser nicht traut, es sucht den Haken und den findet es dann auch, immer. Diese Fehlprägung kann uns gründlich das Leben vermiesen, wenn wir diesen aufflammenden, diesen entzündlichen Emotionen trauen.

Hollywood liefert uns reichlich Klischees darüber wie Menschen und Beziehungen, wie Leben sein sollte. Nur leider entsprechen diese Ideen den geschönten Bildern in Prospekten, ähnlich wie die oben erwähnten Bilder aus der Speisekarte selten so aussehen, wie das Essen, was wir dann auf dem Teller haben.

Atmen, lachen, für sich sorgen, weitergehen und warten bis der Anfall vorbeigeht – das wäre so mein Tipp. Kein Mensch ist perfekt und gleichzeitig ist jeder Mensch vollständig…

Solange wir den Wert von Herzlichkeit und Verbundenheit nicht empfinden, bleiben solche Worte leider nur Kalendersprüche…

Intuition liegt eine Ebene tiefer, sie entspringt aus Verbundenheit…

Was hast du erlebt? Beobachte und lernen, es lohnte sich…

your choice, take it, take care!