Heinricht von Kleist formuliert 1805 einen Brief mit dem Titel „Über die allmähliche Verfestigung der Gedanken beim Reden“ in dem er einen Freund rät:
„Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden
kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen.
Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen.“
Menschen leben in Narrativen, sie erzählen sich und anderen Geschichten über sich und die Welt, diese Geschichten erzeugen, ich möchte sagen, manifestieren unsere Realtität. Im Konstruktivismus nach Maturana und Varela (der Baum der Erkenntnis) wird der Begriff der Strukturkopplung gebraucht, wenn mehrere Menschen ein gemeinsames Narrativ bilden. Die daraus entstehenden Konstrukte und Selbstbilder beeinflussen dann rückbezüglich nicht nur unsere Sicht auf die Welt, sondern auch unsere Wahrnehmung. Es wird also in gewissem Sinne wahr, was wir mit unseren Erzählungen manifestieren.
In der Pädagogik ist bekannt, dass Kinder ein Gegenüber benötigen, damit sie ein episodisches Gedächtnis ihres Selbst bilden können. Es geht also nicht nur darum, dass sie Aufmerksamkeit für ihre Erzählungen erhalten, sondern auch darum, dass sie ein Feedback bekommen, aus dem sie dann ihre Geschichte und ihr Selbstbild konstruieren.
Was erzählen Sie sich über sich selbst? Was erzählen Sie anderen über sich und die Welt? Welche Werte manifestieren Sie? Welchen Focus setzen Sie?
Ich behaupte, dass es eher wahr ist, weil wir es erzählen und daran glauben, als dass wir es erzählen, weil es wahr ist…
Auf einer Karte las ich einmal folgenden Spruch:
„Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.“
(Charles Reade 1814-1884)
Vielleicht kennen Sie das Bedürfnis, ein Erlebnis oder einen Gedankengang mit anderen zu teilen? In der Regel klären wir nicht nur unsere Gedanken, sondern auch unsere Gefühle in Begegnungen. Neue Erkenntnisse können entstehen, wir verfestigen unser Narrativ, finden Zugehörigkeit und Handlungsmöglichkeiten, wenn es gut läuft.
Auch Sie bestimmen in welcher Welt wir leben, jeden Tag, jeden Augenblick, jetzt!
Your Choice, take it, take care!