Teekesselchen

Sie kennen das Spiel? Zwei Dinge tragen den Gleichen Namen – das ist lustig, wenn es um zwei Gegenstände geht die man offensichtlich klar voneinander unterscheiden kann, das ist schwierig bis tragisch, wenn es um nicht gegenständliche, ja selbstverständlich gebrauchte Worte geht, die scheinbar eindeutig sind. Dazu sind mir in kurzer Zeit nacheinander zwei „Geschichten“ passiert:

Ich wollte mir bei einer Freundin einen Koffer leihen, deswegen rief ich sie an. Auf meine Frage hin sagte sie: „Wann dachtest du denn, das du ihn holen kommst?“ Ich antwortete: „Demnächst,  dachte ich“. Sie darauf überlegend: „Also ja, Morgen hab ich Frühschicht, dann muss ich noch…“ Ich war zuerst etwas verwirrt, dann aber ging mir ein Licht auf und ich unterbrach sie mit den Worten: „Ich meinte mit demnächst in etwa 10 Minuten …“ – Sie: „Ah, ok, dann bis gleich …“. Für sie war demnächst in den nächsten Tagen …


Ursprünglich kam ich auf den Gedanken mit dem Teekesselchen aber, weil ich mich mit jemandem fast eine Stunde über die Aussage „automatisch achtsam sein“ auseinander gesetzt hatte – für ihn ging „automatisch“ nicht achtsam, weil achtsam für ihn bewusst bedeutet und „automatisch“ etwas ist, was eher „unbewusst sein“ bedeutet. Zudem war „unbewusst sein“ eher als negativ bewertet worden, „bewusst sein“ dagegen positiv. Mir ist dann zu Hause eingefallen, dass ich automatisch vielleicht mit „selbstverständlich“ hätte ersetzen könnte… und viel später ist mir noch viel mehr dazu eingefallen, aber das schreibe ich vielleicht besser an einer anderen Stelle ;-).

Ich dachte die ganze Zeit an die Lernstufen: Unbewusst inkompetent, bewusst inkompetent, bewusst kompetent, unbewusst kompetent… sprich am Anfang weißt du nicht, was du nicht weißt, dann weißt du es und lernst bewusst neues Handeln und dann geht es irgendwann in ein Selbstverständnis über und man macht es unbewusst, eben selbstverständlich von innen, auf die neue Weise – dann nenne ich es „automatisch“ und deswegen geht für mich auch automatisch achtsam ;-)… Natürlich kam ich nicht darauf meinen, durchaus positiven Begriff von unbewusst zu erklären oder herzuleiten, denn mir war das Teekesselchen nicht gleich aufgefallen. Jetzt aber, da das Phänomen für mich einen Namen hat, bin ich etwas aufmerksamer geworden es zu erkennen. Teekesselchen sind mit den Missverständnissen eng verwandt. Es gibt bei genauerem betrachten ziemlich viele Begriffe, die dazu einladen sich buchstäblich in die Haare zu bekommen oder einfach Mist zu verstehen.

Was z.B. ist Achtung? Achtung im Sinne von Vorsicht oder Achtung im Sinne von Wertschätzung? Oder Was wäre Respekt? Eher Angst oder eher Bewunderung? Da gibt es sicherlich viele Beispiele. Worte sind nichts anderes als Namen für etwas Erfahrenes, ihre Bedeutung entsteht immer in dem Zusammenhang, in dem wir sie erlernen und wir erlernen sie eben nicht per Definition, sondern mit allen Sinnen und zudem noch in bestimmten Kontexten. In der Regel gibt es eine Empfindung die mit den jeweiligen Begriffen einhergeht. Was ist zum Beispiel Ruhe, was Stille? Gibt es einen Unterschied oder vielleicht doch nicht? Was ist Gelassenheit oder Achtsamkeit oder Bewusstheit oder Ganzheitlichkeit… Es mag da Definitionen geben die festgeschrieben wurden, aber welche Bedeutung haben diese, wenn wir im Allgemeinen ein Wort vielleicht anders benutzen. Das Wort krass z.B. hat einen Bedeutungswandel vollzogen von gegensätzlich / auffällig zu klasse /super – schauen Sie ruhig einmal nach wie viele Wörter da zur Erklärung für krass im Duden stehen… Worte werden zu Begriffen, wenn wir sie mit einer Empfindung belegen und diese Empfindung lässt uns dann etwas auch begreifen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man einander im Gespräch zuhört und versucht eine gemeinsame Sprache zu sprechen, im Dialog entwickelt sich dann ein Begriff vielleicht ganz neu. Wenn ich davon ausgehe, dass mein Begriff auch immer der Begriff meines Gegenübers ist, dann erlebe ich vielleicht manchmal mein blaues Wunder. Verstehen ist daher immer mehr als den Wortlaut zu übernehmen und manches lässt sich eben nicht so einfach erklären, da fehlen vielleicht dann Worte oder die Worte, die man benutzt erzeugen bei anderen nicht das Bild, was man selbst vor dem inneren Auge hat. Vielleicht lösen sie sogar eine Aversion aus und man wird urplötzlich in eine Schublade gestopft in der man sich weder heimisch noch zurecht, vielleicht auch nicht zu Recht findet. Ich empfehle genaues zuhören und nachfragen, vielleicht auch nachflicken und ab und an auch mal ein bisschen Flexibilität im Gebrauch von Worten. Wenn ein Wort immer wieder Aversion auslöst, dann kann ich mir überlegen, ob ich meinen Begriff durchsetzen möchte oder ob ich einfach heraus finde, wie mein Gegenüber dieses von mir gemeinte, den „Begriff“ benennt und seinen oder ihren dann in Zukunft ersatzweise nutzen – um der Verständigung willen.

hopefully ;-))

Schreibe einen Kommentar